Was zeichnet eine nachhaltige Immobilie aus? Und welche Bedeutung hat das Thema für die Zukunft des Bauens? Ein Interview mit dem Architekten Stefan Höher, Bereichsleiter Projektentwicklung bei Bauwens.

Nachhaltigkeit im Immobilienbereich: Ist das nicht einfach nur ein anderes Wort für energieeffizientes Bauen?

Stefan Höher: Weit gefehlt: Über die Energieeffizienz hinaus ist die Wirtschaftlichkeit und Nutzerfreundlichkeit ein zentraler Faktor für den Erfolg eines nachhaltigen Immobilienprojekts. Denn Immobilien müssen sich ökonomisch und ökologisch rechnen. und einen Mehrwert für die Gesellschaft bieten.

Ökonomie und Ökologie wird von vielen als Widerspruch gesehen ...

Im Gegenteil: Durch ein gutes Nachhaltigkeitskonzept auf der Basis regenerativer und kreislauffähiger Materialien berücksichtigen wir schon im Vorfeld Kosten, die erst im späteren Lebenszyklus der Immobilie aufgrund der steigenden CO2-Bepreisung zum Tragen kommen. So können wir Kosten vorausschauernd verringern oder ganz vermeiden. Das funktioniert allerdings nur, wenn das Thema schon in der Machbarkeitsstudie berücksichtigt wird. Denn wer Nachhaltigkeitsaspekte vor dem Grundstückskauf nicht auf dem Schirm hat, kommt zu einer Fehleinschätzung des Grundstückswerts.

Und welche Aspekte sind das genau?

Für uns gibt es hier drei Eckpfeiler: das Bauvolumen, das Energiekonzept und die Bauweise. Eine wesentliche Zielmaßnahme ist die Reduktion unnötiger Untergeschosse.. Manche Städte verlangen noch eine Mindestanzahl an Pkw-Stellplätzen. Andere haben schon eine Obergrenze. Ob die Parkplätze nun oben auf dem Grundstück oder in einer Tiefgarage platziert werden, ist bei jedem Projekt eine Grundsatzentscheidung. Dazu gibt es eine Faustregel: Bei einem klassischen Bürogebäude mit fünf bis sechs Etagen wird unterirdisch etwa gleich viel Beton verbaut, wie oberirdisch.

Eine Menge Material, Aufwand und Kosten ...

Ja. Zudem ist Beton problematisch wegen seines CO2-Fußabdrucks und der mangelnden Wiederverwendbarkeit. Eine nachhaltigere Lösung ist hier oft ein Parkhaus. Das verbraucht weniger Ressourcen und ist sogar schneller und kostengünstiger zu bauen. Außerdem ist es sparsamer im Betrieb als die gleiche Fläche unter der Erde.

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Stefan Höher


Die Mobilität verändert sich gerade radikal. Was bedeutet das für Immobilienprojekte?

Wenn das Leihfahrzeug moderner, besser und günstiger ist als das eigene Auto, ist die Ära des privaten Autos zu Ende. Aufgrund der langen Lebenszyklen von Immobilien müssen wir das jetzt schon mitdenken. Ein gut konzipiertes Parkhaus ließe sich künftig in Wohnraum oder Büroflächen umwandeln. In Tiefgaragen dagegen kann ich dann nur noch Pilze züchten.

Wie sieht es beim Thema Energie aus?

Das Energiekonzept muss ähnlich vorausschauend durchdacht werden. Wenn ich z. B. Geothermie nutze, muss ich wissen, wie viel Wärme oder Kälte ich dem Boden entnehmen darf. Dementsprechend sollte der Energiebedarf konzipiert werden. Denn sonst brauche ich ein zweites System für die Abdeckung von Spitzenlasten.

Das ist bei der Stromversorgung mit Solarzellen wahrscheinlich ähnlich ...

Genau. Hier sollte man z. B. die Dachflächen von Anfang an so planen, dass sie sich optimal für die Photovoltaik eignen. Wer hier zu spät handelt, kann das später kaum noch korrigieren.

Als dritten Punkt hatten Sie die Bauweise erwähnt ...

Auch die Materialwahl muss möglichst früh getroffen werden. Wenn ich z. B. sicher bin, dass ich meine Ziele mit einem Holzbau am besten erreiche, muss ich das bei einem Wettbewerb als Vorgabe einfließen lassen.

Schränkt das nicht zu sehr ein?

Tatsächlich gab es diese Kritik im Vorfeld eines Wettbewerbs zu einem aktuellen Projekt. Doch sie hat sich als falsch erwiesen. Die Entwürfe waren trotzdem sehr unterschiedlich und durchweg von hoher gestalterischer Qualität. Wir können der Architektur also auch mit solchen Vorgaben große Freiheiten erhalten.

Unter dem Strich: Was bedeutet Nachhaltigkeit bei Immobilienprojekten für Sie generell?

Unser Ziel ist es, Projekte ganzheitlich zu denken und zu realisieren. Neben den wirtschaftlichen Komponenten muss dabei auch die Nachhaltigkeit zu einem frühen Zeitpunkt implementiert werden. Sonst bedeutet das im Nachhinein: Mehr Aufwand, mehr Zeit, mehr Kosten. Und genau das können wir vermeiden, wenn wir früh genug ganzheitlich planen und dabei alle Aspekte im Blick haben.

Herr Höher, vielen Dank für das spannende Gespräch.
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